MULTITASKING
Ernüchterung der Superhirne
Es klingt wie ein Kompendium von Selbstverständlichkeiten, was uns im Extra-Heft der Süddeutschen Zeitung aus der Reihe "Wissen", Ausgabe 16/2007, an Ratschlägen und Erkenntnissen begegnet. Außer für den Maskulisten. Denn dieser erlebt dabei auch, wie seine vor halbem Jahrzehnt präzis formulierten Stellungnahmen gegenüber den trivialen Platitüden scheinwissenschaftlicher 'Tatsachen' heute aus denselben Gemeinden bestätigt werden, aus denen einst die mentale Verunreinigung daherkam. Und das erfreut ihn natürlich. Doch der Reihe nach:
Es geht um "Multitasking". Sie erinnern sich? Es handelt sich um jene eine aus mehreren übermenschlichen, zumindest jedoch übermännlichen, Eigenschaften, mit welchen das neue Alphageschlecht des Massenblatts DER SPIEGEL trotz seines zurückhaltenden Verhaltens bei Patent-Anmeldungen am Ende doch noch die Zukunft für sich gewinnen sollte. Multitasking, das war doch mal die Fähigkeit der Weiblichkeit, alles oder mindestens vieles gleichzeitig zu tun, ergeben aus einem evolutionär bedingten angeblichen biotechnischen Vorteil in der Verbindung seiner beiden Gehirnhälften. Hinzu wirkte auch die Erkenntnis, daß im weiblichen Gehirn bei jeder Klitzekleinigkeit gleich alle Lampen leuchten, was man kurzerhand "vernetztes Denken" nannte und als Feminist toll fand.
Des Öfteren wurden diese irrigen Annahmen hier ironisiert, aber auch schon durch Vernunft beleuchtet, um dem Leser evident zu machen, warum sie nur falsch sein konnten. Etwa im Beitrag "Kröten im Hörsaal", Jahrgang 2002:
Ein "vernetztes Denken", so wird der Umstand beschrieben, der bei Frauen bedingt, daß mehrere Gehirnareale auf beiden Hemisphären für die gleiche mentale Aufgabe belastet werden, die beim Manne weniger Einsatz erfordert. Obwohl wir wissen, daß der Denkprozeß ein abstrahierender ist! Hätte unser Denken nicht die Fähigkeit, Gefühlsareale beim Denkprozeß auszuschließen, wäre die Erstellung differenzierter, von Empfindungen zunächst gelöster Gedankengänge unmöglich. Vermutlich wird durch das 'vernetzte Denken' auch die Möglichkeit des Gehirns eingeschränkt, gleichzeitig heterogene Aktivitäten auszuführen (eine logische Folgerung), und neuere Untersuchungen New Yorker Forscher lassen sogar darin die Quelle jenes Weiß-nicht-warum-Schmerzes, den man Depression nennt und der häufig mit Angstzuständen und "psychischen Krisen" verbunden ist, vermuten.
"Frauen nutzen Hirn komplexer", lautete nichtsdestotrotz der Meldungstitel zu diesem Ergebnis beim N-TV-Nachrichtenportal in nett beschönigender Korrektheit. Vielleicht hilft solche Beschönigung gegen Depressionen? Vermutlich so sehr, wie die Werbung für ein HiFi-Gerät, dessen beide Kanäle unangenehmer Interferenzen unterliegen, gegen den Ärger des Käufers helfen würde, wenn es darin hieße: 'Sie hören auf beiden Kanälen mehr!' Was ja auch stimmen würde.
Worauf es mir doch hier speziell ankommt, ist, eines der vielen nie veröffentlichten Schreiben des Maskulisten vorzustellen, das ein Jahr nach der obigen Formulierung als offener Brief (bzw. Email) an drei Personen ging. Es waren dies der HANDELSBLATT-Redakteur Christoph Hus und die geschäftsführende Gesellschafterin des Instituts für Beratung und Training in Unternehmen (IBT, heute PEP), das Management-Trainings-Programme zur "Steigerung der persönlichen Effizienz und Verbesserung der Produktivität" an Top-Firmen anbietet, Katharina Dietze. Die dritte Person war Prof. Dr. Andrea Abele-Brehm, Inhaberin des Lehrstuhls für Sozialpsychologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. (Der Beitrag dieser dritten Person in dem von mir kritisierten Produkt ist mir heute allerdings nicht mehr geläufig.)
Im genannten Schreiben äußerte ich Einwände gegen gewisse Darstellungen in einem Artikel des Handelsblattes vom 25. Juli 2003 mit dem Titel "Der arbeitstechnische Tunnelblick der Männer". Mit "Tunnelblick" war die konzentrierte Ausgerichtetheit, mit der sich Männer ihrer jeweiligen Aufgabe widmen. Dieser Ausdruck sollte die männliche Vorgehensweise gegenüber der weiblichen, die ja im angeblichen Gegensatz darin bestehen sollte, "mehrere Dinge gleichzeitig zu tun", entwerten. Hier Auszüge aus meinem Schreiben (in den doppelten Anführungsstrichen zitiere ich (außer beim Nietzsche-Zitat) aus dem kritisierten Artikel):
...,
"mehrere Dinge gleichzeitig zu tun", wie es "die Mehrheit der Frauen in Deutschland bevorzugt", etwa "E-Mails zu schreiben und zu telefonieren oder zu lesen und sich nebenbei zu unterhalten... ganz anders als die Männer", wird man ... sich hoffentlich weder im Cockpit einer fliegenden Maschine noch im OP-Saal während eines Eingriffes gestatten! Liegen etwa vielleicht hier die Gründe, warum es soviel weniger Pilotinnen als Friseusen... gibt?
...
"Einsam zu denken, nenne ich weise", schrieb Nietzsche, um die Notwendigkeit des Ausschlusses von Unwesentlichem bei wichtigen Prozessen zu unterstreichen! Und habe ich Frau Katharina Dietze richtig verstanden, so ist die gute Frau glatt dabei, dem Genie "Kommunikationsunfähigkeit" zu bescheinigen. Frau Dietze könnte ein Problem damit haben zu begreifen, dass Kommunikationsfähigkeit nicht die Fähigkeit ist, stets viele kleine Kommunikatiönchen einzugehen, sondern die Fähigkeit, das Wesentliche zu erkennen und auf seiner Spur bleiben zu können, indem man berieselnden ‘Rausch’ auszuschließen vermag. Denn alles Wesentliche beansprucht nun mal unser Wesen, und wo dieses zerstückelt auftritt, kann nie von kreativen Prozessen die Rede sein.Kein Wunder also, daß nicht Frau Dietze und ihre Schwestern es waren, die das größte Kommunikationsereignis aller Zeiten, das Internet, ermöglichten und durchsetzten. Ob allerdings die hier zutage tretende Einfalt und kollektive Selbstüberschätzung der ‘neuen Frauen’ Entscheidungsbereichen der Wirtschaft auf Dauer gut bekommen würden, sollte man nicht versäumen in Abständen zu überprüfen...
Mit freundlichen Grüssen
Was bei solchen Schreiben amüsiert, ist etwas, das ich einen Triumph der Bedachtsamkeit nennen will; es ist der Sieg der einfachen Besonnenheit gegenüber wissenschaftlichen Konstrukten, die zu deren mühsamen Bestätigung wesentlich mehr Aufwand erfordern, als die bloße Vernunft benötigt, um zu erkennen, daß sie falsch sein müssen. Jedenfalls kann ich verstehen, daß die Unternehmerin zwar über eine Mitarbeiterin mir versprach, mein Schreiben nach Beendigung ihres Urlaubs zu beantworten, dies aber nie geschah.
Dafür aber erhielt ich dieser Tage eine kleine Belohnung. Denn es scheint nämlich soweit zu sein, daß auch dieser Spuk 'frauenfreundlicher' Mißdeutung wissenschaftlicher Tatsachen vertrieben werden soll. In Auszügen vom anfangs genannten Heft der Süddeutschen Zeitung im SPIEGEL ONLINE wird die ganze Reihe der Wissenschaftler angeführt, die den Irrtum des Multitaskings desavouieren.
Ohne einen Unterschied zwischen den Geschlechtern zu machen wird erklärt, daß Multitasking, genannt auch "Gleichzeitigkeitswahn", etwas ist, das "der Arbeitsweise des Gehirns widerspricht." Es stellt je nach Tätigkeit eine Gefahr dar (zum Beispiel beim Autofahren), oder verursacht Verschwendung wertvoller Arbeitszeit, den Mißstand also, den Frau Dietzes Unternehmen mit seinen Programmen bei seinen Kunden zu beheben verspricht!
Die größte Verschwendung käme nicht bloß durch die unkoordinierten Bewegungsabläufe zustande, die Multitasking verursacht, sondern vor allem dadurch, daß dabei Entscheidungsprozesse im Gehirn stauen und so Verzögerungen bewirken wie auch Fehler, deren Behebung nochmals Zeit abverlangt. Unglaubliche Summen verschwendeter Arbeitsstunden wurden in Milliarden von Geldern umgerechnet, und das Setzen von Prioritäten als die einzig intelligente Haltung ausdrücklich empfohlen.
Ob ich mich bei Frau Dietze einmal vorstellig machen sollte, um mein Beratungshonorar von 2003 in Empfang zu nehmen? Eigentlich dürfte ich danach in den Ruhestand treten.
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