Ein Sommerloch für alle Jahreszeiten - Porträt einer Geschlechterdebatte à la FAZ
Doch solch feine Strukturen von Interessenlagen und daraus resultierenden Verquickungen scheinen für Herrn Schirrmacher unsichtbar zu sein, er reflektiert darauf gar nicht, kein Wort über Frau Christiansen als einer der wenigen, alljährlich auserkorenen Empfänger wider Willen des länglichen, als eingemachte Spezialität nach Hausfrauen (Un-)Art vergebenen Gemüses. Statt dessen wird uns die bedenklich einfache Sicht aufgetischt: Herr Merz führte uns mit dieser seiner Gratulation die "bedingungslose Unterwerfung eines Mannes unter eine Frau" vor. Merkwürdige Phantasien! Zumal der Schreiber ihm, dem Herrn Merz, dazu noch "eine dominante Vorsitzende" gern an die Seite stellt. Ob Frank Schirrmacher schon Herrn Merz bei Frau Christiansen oder seiner Parteivorsitzenden unterwürfig den Boden schrubben oder hartnäckige Flecken im Geschirr entfernen sieht?
Weitere Belege des "Männerdämmerung"-Autors aus der Vergangenheit, die uns über Friedrich Nietzsches Schwester und Richard Wagners Witwe bis hin zur antiken Klytämnestra führen, entkräften nur weiter seine Positionen: Die beiden ersten Damen sind hervorragende Beispiele dafür, daß sich Frauen nur in bezug auf die Werke 'großer Männer' ein Stückchen dieser Größe zuteilen durften, und nach Klytämnestra kam der Sohn Orest, der, als Hauptfigur der "Orestie", dem Werk, durch welches wir auch Klytämnestra kennen, die ausgerutschten Machtverhältnisse wieder dadurch ebnete, daß er den durch seine Mutter Klytämnestra begangenen Mord an seinem Vater Agamemnon mit der Ermordung seiner Mutter rächte, wobei er sich - unter der Schirmherrschaft Apolls - die Zustimmung der mutterlosen Athene einheimste und dabei die Tradition der Erynnien, der natur- und mutterrechtlichen Hüterinnen des 'alten Rechts' (Aischylos), zerbrach. Alles andere also als Symbolfiguren einer aufkommenden Weibesherrschaft!
Und so eben kein Wunder, daß es auch Frauen waren, die darauf antworteten. Das taten sie in Artikeln und Fernsehrunden, indem sie sich in den altbekannten Widersprüchen verfingen, die zum einen die Prognosen ihrer Machtübernahme verneinten (nur schön Opfer bleiben), zum anderen aber den Fakt ihres Heraufkommens bestätigten!? (Frauen können so etwas.)
Doch eine Spur von Erkenntnisbestreben - wenn auch eine etwas unscharfe - ist im Artikel des Herrn Schirrmacher vorhanden. Nachdem er nämlich die drohende Mitteilung kundtat, daß jene Witwe des großen Komponisten wie eine "schwarzgekleidete, unnahbare, in ewige Händel verstrickte Witwe" nun als kollektiver "Cosima-Effekt" (nett zusammengeklemmt!) "umzukehren beginnt" (wer bekommt hier nicht die Gänsehaut?), resultierte er: "Frauen übernehmen die Vermittlung und sogar die Macht in einer zerfallenden Gesellschaft." Exakt! Ganz so, wie auch wir das meinen. Wir fügen aber unbedingt hinzu: und nur in einer solchen! Wobei wir die Schwierigkeit der Frage voll anerkennen, ob nun zuerst der Zerfall oder die Macht der Frauen solche Gesellschaften heimsuchten. Vermutlich wäscht hier eine Hand die andere. Damit sind wir aber beim nächsten Teilnehmer dieser allzu sommerlichen Debatte angelangt.
